Wenn Dein Startup wächst, wirst Du mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann an den Punkt kommen, an dem Du Dich mit Venture Capital beschäftigen musst. Während Investoren in einer frühen Phase des Startups (Pre-Seed- oder Seed-Phase) meist zwischen 10.000 € bis 200.000 € investieren, steigen Venture-Capital-Unternehmen mit wesentlich größeren Summen ein. Venture-Capital-Unternehmen finanzieren also (fast immer) Startups, die die ersten Phasen hinter sich gebracht haben.
Aufgrund der Tatsache, dass Venture Capital-Unternehmen wesentliche höhere Summen investieren und eine angemessene Rendite dafür erwarten, ist der Finanzierungsprozess komplexer. Wir möchten daher einen Überblick darüber geben, wie ein solcher Finanzierungsprozess aussehen könnte und welche Voraussetzungen ein Startup erfüllen muss, dass eine Venture Capital Kapitalrunde überhaupt in Frage kommt.
1. Handelt es sich um ein (Venture Capital) investierbares Business Model?
Viele Gründer treten bereits in einer sehr frühen Phase an Venture-Capital-Geber heran, weil sie der Meinung sind, dass sie eine tolle Idee haben, in die es sich lohnt zu investieren.
Tatsächlich mögen die meisten Ideen sehr gut sein und rechtfertigen auch ein Investment durch Kapitalgeber in anderer Form. Allerdings muss das noch lange nicht heißen, dass es sich um ein geeignetes Projekt für einen Venture Capital-Geber handelt.
Das Potential des Startups ist das entscheidende Kriterium. Jedes Startup hat ein unterschiedliches Potential. Beispiel: Es gibt viele gute Gründe in ein Restaurant zu investieren. Allerdings handelt es sich zunächst um ein kleines Unternehmen. Das Restaurant kann sich zum Beispiel um Bankkredite bemühen. Für ein Venture-Capital-Unternehmen handelt es sich jedoch um kein lohnenswertes Investment, weil das Wachstum nach oben üblicherweise sehr beschränkt ist. Das gleiche gilt zum Beispiel auch für lokale Handwerker- und Dienstleistungsunternehmen.
Wenn ein Venture-Capital-Unternehmen, an dass sich ein Gründer gewandt hat, absagt, bedeutet das also nicht unbedingt, dass der Gründer einen Fehler gemacht hat oder das Startup keine Zukunft hat.
Venture-Capital-Unternehmen verfügen in aller Regel über mindestens mehrere Millionen Euro, die sie investieren wollen und anschließend eine angemessene Rendite erwarten. Für Gründer ist es daher wichtig zu wissen, dass VCs ihren Blick vor allem auf die Größe des Marktes richten. Wenn VCs zu dem Ergebnis kommen, dass der Markt zu klein ist und das Investment aus ihrer Sicht deshalb wenig Potential hat, werden sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht investieren.
Wenn ein Venture-Capital-Unternehmen, an dass sich ein Gründer gewandt hat, absagt, bedeutet das also nicht unbedingt, dass der Gründer einen Fehler gemacht hat oder das Startup keine Zukunft hat. Die Absage des VC kann schlichtweg bedeuten, dass der potentielle Markt zu klein ist für ein attraktives Investment aus Perspektive des VCs. Für kleinere Fonds oder aber für Business Angel Investoren kann ein Investment hingegen sehr spannend sein.
Das Startup muss sich also um andere Finanzierungsformen bemühen – und auch hierfür gibt es Investoren. Gründer sollten sich daher erstens unbedingt gründlich mit potentiellen Marktgröße auseinandersetzen, um sich gezielter um eine Finanzierungsform bemühen zu können. Und zweitens sollten bei der Kapitalsuche die verschiedenen Investorentypen verstehen und mehrere Alternativen bei der Kontaktaufnahme vorhalten.
2. Wie groß ist der Venture-Capital-Fonds und das durchschnittliche Investment?
Bevor man auf der Suche nach der nächsten Kapitalrunde auf Venture Capital-Unternehmen zugeht ist es wichtig zu verstehen, wie diese überhaupt ihr Geld verdienen.
Venture-Capital-Fonds bestehen in der Regel aus General und Limited Partner (ähnlich Komplementäre und Kommanditisten), wobei die General Partner über die Mittelverwendung entscheiden und dafür eine Management-Gebühr, meist 2 % vom Fondsvolumen sowie eine Gewinnbeteiligung, typischerweise bis zu 20 %, erhalten.
Die Gewinnbeteiligung wird erst ausgeschüttet, wenn das Geld des Fonds an die anderen Anteilsinhaber inklusive deren Renditen zurückgezahlt wurde. Ein typischer Venture-Capital-Fonds wird meist nur für kurze Zeit, bspw. etwa vier bis sechs Jahre aufgelegt.
Wichtig ist auch zu wissen, welche Größe der Venture-Capital-Fonds hat. Bei einer Größe von 150 Millionen Euro oder Dollar macht es aus Perspektive des VCs wenig Sinn, ein Investment von 100.000 € zu platzieren. Es wäre für den Fonds in diesem Fall viel zu aufwendig, das Geld zu investieren. Umgekehrt wird solch ein Fonds auch keine Summen von 30 oder 50 Millionen in ein Projekt geben.
Wenn es also um eine Finanzierung von weniger als eine Million Euro geht ist daher besser, sich an Micro-Venture-Capital-Fonds oder Business Angel Investoren zu wenden, die kleinere Investment platzieren können. Ab 5 Millionen Euro und mehr können sich Startups in fortgeschritteneren Phasen an Venture-Capital-Fonds mit einem Investment-Volumen von 50+ Millionen Euro wenden.
Du solltest also vor einer Ansprache herausfinden, welches Volumen der ins Auge gefasste Fonds verwaltet und natürlich deinen eigenen Bedarf kennen.
3. In welcher Phase befindet sich der Fonds?
Es kommt vor, dass ein Fonds bereits das ganze zur Verfügung stehende Kapital in Projekte investiert hat und vielleicht erst später daran arbeitet, einen neuen Fonds aufzulegen. In dieser Phase werden natürlich keine neuen Investments eingegangen. Es klingt etwas eigenartig, aber auch in dieser Phase veranstalten die Partner des Fonds häufig Treffen mit Startups, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt keine Finanzierungen platzieren.
Die Venture-Capital-Fonds stehen nach ihrer Schließung unter erheblichen Zeitdruck, neue Investments zu finden und einzugehen. Sie müssen beispielsweise zwei Finanzierungen innerhalb eines Quartals abschließen. Wenn sie allerdings schon vier Closings in einem Quartal getätigt haben, werden sie in diesem und im nächsten Quartal kaum noch ein weiteres Investment eingehen. Beide Szenarien sind nicht untypisch, können aber von Gründern oft nur schwer nachvollzogen werden.
Startups sollten daher immer auch fragen, wie viel Investments in diesem Quartal oder Jahr schon abgeschlossen wurden und wie viele noch geplant sind.
4. Warum die VC-Verantwortlichen Dich kennenlernen wollen
Es hört sich vielleicht kitschig an, aber die ersten Treffen mit Verantwortlichen eines Venture-Capital-Unternehmens können mit einem Date verglichen werden.
Die Vertreter der Fonds wollen die Gründer kennenlernen. Sie wollen sehen, wie die Gründer agieren und entscheiden und ob diese Fortschritte machen. Die Menschen – also das Gründerteam – sind immernoch der kritischste Faktor beim Startup-Erfolg und somit bei der Frage, ob in ein Startup investiert wird. Die Fonds wollen auf diese Weise ihr Risiko minimieren und möglichst kein Projekt in den Sand setzen.
Dazu wollen sie über einen gewissen Zeitraum sehen, wie der Gründer Entscheidungen trifft. Wenn Du schon einmal erfolgreich gegründet und mit dem Kapitalgeber zusammengearbeitet hast, ist das Risiko natürlich geringer, denn die Verantwortlichen kennen dich und deinen Arbeitsstil.
Um diese „Kennenlern-Phase“ erfolgreich zu bestehen eignet sich die folgende Strategie. Die Investoren sollten nicht als reine Geldgeber angesehen werden, sondern als Partner für den schrittweisen Aufbau des Business. Und nicht zuletzt: Der „Dating-Prozess“ dient auch Gründern dazu, den Finanzierungspartner und seine Strukturen besser kennenzulernen, um entscheiden zu können, ob es passt.
6. Wer ist dein Lead Partner?
Die Verantwortlichen bei Venture-Capital-Fonds sind bekanntlich auch nur Menschen. Am Ende des Tages müssen die Partner des Fonds also vor allem auch von Dir überzeugt sein, wenn es zu einem Deal kommen soll.
Jeder einzelne Partner hat einen anderen Fokus bei der Beurteilung von Investments. Wenn ein Partner Spezialist für Unternehmen der Kosumgüterindustrie ist, heißt das also nicht, dass er sich mit Unternehmen auskennt, die Web-Tools entwickeln. Darauf musst Du Dich einstellen.
Versuche bei der Vorbereitung auf die Gesprächsrunden etwas über deine Gesprächspartner und deren Biografie herauszufinden. Welche Unternehmen hat der Fonds in der Vergangenheit finanziert? In welchen Unternehmen und Positionen haben die Partner in der Vergangenheit gearbeitet? Je mehr Du im Voraus weist, um so mehr kannst du vermeiden, mit den falschen Leuten zusammenzukommen und Zeit zu verschwenden.
Manche Fonds und Partner haben spezielle Themenbereiche, in die sie investieren und sind bezüglich der Themen nicht sehr breit aufgestellt. Sie konzentrieren sich zum Beispiel nur auf Projekte mit Kryptowährungen und richten ihre Investments auf 12 oder 18 Monate aus.
Andere Investoren sind weniger trend-fokussiert und können daher mehrere Bereiche abdecken, etwa Software as a Service (Saas), e-Commerce oder Development-Tools. Viele Partner in größeren VCs haben auch Erfahrungen mit Investments in unterschiedlichen Bereichen gemacht und stehen Deinem Projekt möglicherweise offener gegenüber. Das hat auch damit zu tun, dass größere Fonds ihre Investments besser über verschiedene Bereiche streuen können und wollen.
Je nach Thema wird es dann einen Partner geben, der sich besser mit der Materie in Eurem Startup auskennt als andere Partner. Allerdings wird ein solcher Partner allein auch nicht mehr als zehn Finanzierungsprojekte auf sich vereinigen können. Versuche also herauszufinden, in wie viel Projekte dieser Key-Partner bereits investiert ist.
7. Der Prozess bis zur Entscheidung über eine Finanzierung
Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass jeder Venture-Capital-Fonds einem bestimmten Prozess folgt, ehe Finanzierungen umgesetzt werden können. Zwischen unterschiedlichen Fonds gibt es zwar Gemeinsamkeiten, aber eben auch gravierende Unterschiede.
Die meisten Venture-Capital-Unternehmen werden über die in Frage kommenden Investments in Partner-Meetings entscheiden. Typischerweise finden die Partner-Meetings montags statt und dauern selten länger als einen halben Tag. In den Meetings werden bestehende Investments besprochen aber auch neue in Frage kommende Projekte in der Runde vorgestellt.
Dein Ziel als Gründer eines Startups sollte es also sein, auf die Liste der neuen potentiellen Investments in den Meetings zu kommen und alles dafür zu tun, dass ein positives Votum zustande kommt.
Bei Seed-Finanzierungen mit einem Volumen von 250.000 bis 750.000 Euro wird es selten mehr als drei Meetings benötigen, bis eine Entscheidung getroffen wird oder die Prüfung Vorab-Prüfung abgeschlossen ist. Das Ziel sollte sein, mindestens zwei Partner 100% von Deinem Projekt zu überzeugen. Die Gründer werden in der Regel auch nicht vorher eingeladen, um ihr Projekt und sich persönlich vorzustellen.
Größere Investments für Startups in der Series A oder B, die also schon eine gewisse Marktakzeptanz haben, bedürfen eines längeren Entscheidungsprozesses und meist der Zustimmung aller Partner. Daher dauert es auch entsprechend länger, bis die Gründer ihr Startup persönlich vorstellen und erklären können, wofür das Geld ausgegeben wird. Das Verfahren läuft ab, wie bei der Vorbereitung einer Due Diligence, etwa bei einer Firmenübernahme. Analysten werden den Zielmarkt untersuchen, um zu sehen, ob es sich um einen Wachstumsmarkt handelt. Kunden werden kontaktiert, Eintrittsbarrieren werden untersucht und so weiter.
Das direkte Treffen mit den Partnern findet auch hier erst am Ende des Prüfprozesses statt. Anschließend wird bei grundsätzlich positivem Votum ein Term Sheet vereinbart.
8. Das Term Sheet und die Due Diligence
Wenn Investoren andeuten, dass sie investieren wollen, werden sie ein Term Sheet vereinbaren wollen. Dabei handelt es sich um ein vertragliches Dokument, dass alle wesentlichen finanziellen und regulatorischen Aspekte des Investments umfasst. Typischerweise ist ein wichtiger Punkt die Unternehmensbewertung (Valuation), die letztlich auch den konkreten Umfang des Investments bestimmt. Weitere Bestandteile sind Rechte der Investoren, die Board-Zusammensetzung, Stimmrechte im Startup, Optionen und anderes.
Es wird versucht, möglichst alle business-relevanten Punkte in einem Term-Sheet abzudecken. Das bedeutet auch, dass gut ausgearbeitete Term-Sheets sehr umfangreich und in der Regel auch sehr kompliziert verfasst sind, weil sie möglichst viele relevante Punkte auch aus juristischer Sicht abdecken sollen. Das bedeutet für Dich, dass du nicht erschrocken sein solltest, wenn Dir der erste Entwurf zugesandt wird. Du wirst jedoch auf jeden Fall einen Anwalt brauchen und auch verschiedene Punkte verhandeln bzw. ansprechen müssen. Du musst die Key Terms und deren möglichen Auswirkungen verstehen, ehe du etwas unterzeichnest.
Ist das Term Sheet erst einmal unterzeichnet und vereinbart, geht der Prozess mit der konkreten Due Diligence und dem zur Verfügung stellen von wichtigen Unterlagen für die Finanzierung in die nächste Runde. Die Due Diligence kann kurz und knackig in zwei Wochen erledigt sein, sich aber auch bis vier oder sechs Wochen in die Länge ziehen. Das Ziel ist es, alle Zweifel auszuräumen beziehungsweise Fragen zu beantworten.
Also keine Panik. Liefere geduldig alle Daten und Unterlagen zu. Sei darauf vorbereitet, alle finanziellen Aspekte und Bücher offenzulegen, die Arbeitsverträge der Mitarbeiter und alle möglichen Verträge in Kopie zu übersenden. Es wird alles benötigt, was relevant sein könnte, um das Unternehmen zu bewerten. Das ist ein ganz normaler Prozess und auch Standard beim Finanzierungsprozess für größere Investments.
Die Finanzierung von Startups ist, wie Du siehst, kein ganz leichtes Unterfangen. Je nachdem, in welcher Phase sich das Startup befindet und wie viel Geld benötigt wird, kann der Prozess unterschiedlich ausfallen. Jeder Investor und Partner hat zudem einen anderen Blickwinkel, sodass es auch von Seiten der Venture-Capital-Unternehmen unterschiede geben kann.